Das Schwarze Auge: Die Zensur von 1984

Das Schwarze Auge: Die Zensur von 1984

DSA Abenteuer Basis Spiel von 1984

Klingt schon fast wie ein Titel von George Orwell. Doch nein, hier geht es nicht um ehemalige Fiktion, die die Realität längst eingeholt oder überholt hat. Hier geht es um Tatsachen, um Änderungen, die vorgenommen wurden, um das Seelenheil von uns (damaligen) Kindern und Jugendlichen zu schützen. Verglichen mit dem, was die Kids heutzutage allein im Free TV zu Gesicht bekommen - von den Filmchen aus dem Netz ganz zu schweigen - war das, was hier heute präsentiert wird, echt harmlos…

Wir sprechen von der ersten DSA Box, die so nicht bleiben durfte. Wir stellen einmal einige Bilder aus dem Buch der Abenteuer gegenüber und schauen, was ersetzt werden musste. Links befindet sich jeweils das unzensierte, rechts das zensierte Werk:

 

Das bebilderte „Drama“ beginnt auf Seite 11 im Buch der Abenteuer:

Links: Die hübsche Silvana durfte ihre Schulter und ihren nackten Hals nicht zeigen; offenbar zu anzüglich - oder auszüglich? Doch eigentlich konnte sie gar nichts dafür, es war der schurkige Gobbo, der ihr das Kleid umdekorierte. Glücklicher Weise war das tapfere Schneiderlein, genannt Alrik, nicht fern und kümmerte sich pronto um das Unheil.

Rechts: Da nimmt man doch lieber ein Bild mit weniger Fleisch und Gewalt und lichtet zwei Schurken ab, die sich des Nachts im Mondenschein an einer Tür zu schaffen machen.

Natürlich weniger dramatisch und für einen Junghelden oder einer Jungabenteurerin schwierig zu erfassen, dass hier eine echte Gefahr droht, die nach Helden schreit…

 

Wir blättern um auf Seite 12 und der Horror nimmt seinen Lauf.

Links: Schock! Silvana wird am Pfosten gefesselt, vor Schmerz geht sie auf die Zehenspitzen. Die Großmutter wird mit einer scharfen Klinge am Hals bedroht und wohl gezwungen, mit der Sprache herauszurücken, wo sie das Familiensilber versteckt hat. Das ist wirklich ein finsteres Bild!

Oder war vielleicht doch ausschlaggebend, dass es zu viel für das Jugendherz sei, wenn einer Zombie-Omi etwas geschehen würde?

Rechts: Hier wurde vermutlich auf Grundlage der Skizze das Bild so umgestaltet, dass Silvana und Omi sich erschrocken festhalten, während Pirat Einauge und Gobbo Garbatz die Schatzkarte eines alten Piratenkapitäns suchen.

Großmutter mit Häubchen ist auch wesentlich mütterlicher als die gruselige Fratze in der unzensierten Version. Hier ist sie einfach nur alt und keine Horrorgestalt aus Thargunitoths Reich…

 

Wir ändern den Blickwinkel und schauen auf Seite 18:

Links: Die schöne Silvana, gefesselt mit Seil, gleich wird sie gerippt. Wie ein weißer Engel, schön wie Schnee, steht sie da. Hey Garbatz, der Alrik tut dir gleich weh! Da kommt‘n wilder Kerl, mit zornigem Blick, der schickt dich gleich zurück.

Da bin ich doch glatt von der Musik im Hintergrund etwas abgelenkt worden…

Allenthalben muss gesagt werden: diese Szene mit dem halb zerfetzten Kleid musste einfach nur weg!

Rechts: Dafür haben wir hier in der zensierten Version den Helden Alrik, der ins Zimmer stürmt und dem armen Gobbo von hinten eine druff gibt - Kriegerkarriere ade!

Da aktuell im Hintergrund von der Bundestagswahl faseliert wird, fehlt es mir an musikalischer Inspiration, um noch einmal abgelenkt zu werden. Was bleibt, ist der überraschte Garbatz und Keulen-Alrik, hmmm…

 

Wir können tote Leute sehen; oder auch nicht…

Links: Da liegt sie auf dem Bauch, die affenarmige Alptraumgestalt. Niedergestreckt vom Helden Alrik oder der Heldin Alrike, damals musste Frau sich das ja noch hinzudenken.

Ein schwarz-weiß Bild, keine Blutlache und dennoch zu hart! Jugend gefährdende Bilder gehören zensiert, sagte man sich offenbar und war wahrscheinlich entsetzt…

Rechts: Wie schön, dass es eine Erfindung, wie ein Radiergummi gab, wodurch aus dem widerlichen Bild des Gemetzels ruck zuck eine zu ertragende, lediglich bedrohliche Szene entstand - bravo!

Nur gut, dass wir solche Probleme heutzutage nicht mehr haben und uns hierüber köstlich amüsieren können…

 

Der Ausführlichkeit halber ist anzumerken, dass noch zwei weitere Grafiken im Buch der Abenteuer Änderungen erfahren haben. Diese Bilder wurden jedoch nicht wirklich verändert sondern lediglich gespiegelt gedruckt, aus welchem Grund auch immer.

 

Wer nun glaubt, die Zensur hätte sich nur im Bild niedergeschlagen, hat sich geirrt. Auch der Text musste geändert werden und darauf möchte ich natürlich auch noch eingehen.

In der Einleitungsgeschichte geschieht es auf Seite 8, die ersten vier Absätze sind identisch, danach jedoch, wird es anders, ganz anders.

So heißt es unzensiert: Und so hört niemand die herzzerreißenden Schreie, die aus dem weißen Haus am Ende der Gasse dringen.

Nach der Zensur liest es sich so: Um diese Zeit gehören Havenas Straßen den dicken, struppigen Ratten, die frech von einem Kehrichthaufen zum anderen huschen, um in aller Ruhe...

 

Nun ein paar Auszüge aus der unzensierten Version, die so nicht stehen bleiben durften:

- [...] alte Frau mit aufgelöstem, weißem Haar wird von einer krummen, schmalschultrigen Gestalt in einen Sessel gedrückt. [...] hält der Greisin einen schmalen Dolch an die Kehle...

- Eine zweite Frau – nein, ein junges Mädchen – steht an einem Stützbalken gefesselt da.

- Was ist das für ein Wesen, das eben den letzten Knoten der Fessel knüpft? Eine wahre Ausgeburt der Hölle!

- [...] Vir szollten dasz Täubchen rrrupfen, dann wirrrd die Alte...

- An dieser Stelle unterbricht Ihr Freund seine Erzählung [...] „Was Silvana, dem Mündel des Kapitäns Graubart, nun bevorsteht, ist scheußlich – ich kann es...

 

Es sind noch viele Sätze mehr, die gestrichen wurden, ach, was sage ich, fast der gesamte Text und Inhalte der Vorgeschichte sind verändert. Zum Ende wird er jedoch wieder identisch, so dass die junge Heldin oder der junge Abenteurer loslegen kann.

 

Wie sieht es nun in der zensierten Fassung aus? Deutlich harmloser natürlich, wiederum auf junge unverbrauchte Seelen abgestimmt, wie folgende Zeilen zeigen:

- Einer der beiden Schurken ist ein Mensch...

- Die andere Kreatur wühlt noch immer in der Truhe [...] Lange Affenarme schauen aus einem zerlumpten Umhang hervor.

- Dann sieht er zwei Frauen in langen Nachtgewändern, die von den Schurken in die Stube gestoßen werden...

- „So habe doch Erbarmen mit der alten Frau!“

- „Vielleicht wisszt ihr eszz doch“, zischte der Goblin, zieht ein schartiges Messer und nähert sich dem blonden Mädchen.

- An dieser Stelle unterbricht Ihr Freund seine Erzählung [...] „Alrik, unser junger Held, hat genug gesehen: Eine affenähnliche Kreatur...

 

Auch an weiteren Stellen des Buchs der Abenteuer gibt es noch kleinere Veränderungen, die jedoch nicht so gravierend sind, wie der Text der Vorgeschichte. Hier sind nur einige Auszüge zu lesen, darum ist es schon lohnenswert, als Sammler(in) sich beide Boxen zuzulegen - oder zumindest das unzensierte Buch der Abenteuer, wenn man die komplette Box nicht ergattern kann. Dazu kann man behaupten, man besitze deutsche Ethik-Geschichte mit Bezug zum Rollenspiel.

 

Das Buch der Regeln

Hier habe ich doch tatsächlich nichts gefunden, weder Bilder noch geschriebenes Wort, das verändert wurde.

Vielleicht habt Ihr ja irgendwas entdeckt, was neckisch oder gruselig ist und zensiert wurde. Schreibt uns gerne einen Kommentar.

 

Was kostet dieser Spaß?

Schwer zu ermitteln, da es aktuell nicht viele Angebote gibt. Gesehen wurden schon unmoralische Angebote über 500€. Es gibt aber auch Inserate, wo eine unzensierte Box in gutem Zustand knapp 90€ kostet.

Da wollen wir doch hoffen, dass es bald auf www.RPGMarket.de einige lukrative Angebote geben wird…

Zuletzt eine kleine Quizfrage: Ist euch ein Plausibilitätsfehler bei den Bildern im Buch der Abenteuer aufgefallen? Er ist übrigens in beiden Versionen gleich...

 

Auf bald mit einem anderen Thema,

der Hampi  aka  Jörg Middendorf

2 Kommentare

Zu der Quizfrage vielleicht… ich denke, es gibt da mehrere Plausibilitätsfehler bei der perspektivischen Darstellung:

1. S. 27 – Der ausgestopfte Bär steht laut dem Raumplan eigentlich in einem deutlichen Abstand von den Zimmerwänden, im Bild scheint er jedoch direkt in der Zimmerecke zu stehen. Außerdem ist der Bär perspektivisch viel zu groß gezeichnet und müsste mit dem Kopf durch die Decke brechen.

2. S. 37 – Der rechtsseitig stehende Schrank ist perspektivisch gesehen viel zu schmal gezeichnet. Auch hier passt die Erscheinung nicht wirklich zur obigen Raumskizze. Denn nach der Skizze müsste der Schrank deutlich mehr Tiefe haben (er müsste schätzungsweise mindestens zwei Dielenbretter bedecken, statt nur ein halbes).

3. S. 49 – Der Tisch ist nicht an der Raumflucht ausgerichtet und auch die hinteren Stühle sind zu groß, sodass es wirkt, als würde das entferntere Ende des Tisches irgendwo in der Luft schweben, statt auf dem Boden zu stehen.

4. S. 51 – Bin kein Historiker, aber die Polstersessel im Zimmer des Roten Basils (mit der gefangenen Silvana) sehen mir verdammt modern aus. Eher 70er Jahre Massenware. Und überhaupt: Warum hat Silvana auf dem Bild schwarze Haare, während die Silvana im Gruppenabenteuer noch blonde Haare hatte? Aber sei’s drum… es werden zwei verschiedene Silvanas sein. Den Namen gibt es wohl öfters in Aventurien. ^^

Björn

Einen gewichtigen Unterschied gibt es noch bei den Bildern, der hier nicht aufgeführt ist. In der unzensierten Fassung auf S. 25 trägt Alrik eine große Öllampe beim Erklimmen der Treppe, in der zensierten Fassung auf S. 25 trägt er nur eine kleine Ölfunzel. Vermutlich war den Redakteuren die große Öllampe zu modern und dem Setting nicht angemessen, dass man diese durch eine kleinere Funzel ersetzte.

Darüber hinaus sind nahezu sämtliche Lagepläne im Layout teilweise deutlich abgeändert worden. Während bei der unzensierten Fassung den einzelnen Raumplänen keine Legende beigefügt ist, findet sich in der zensierten Fassung nahezu zu jedem einzelnen Raumplan eine eigene Legende. Und auch die Pläne des Schicksals sind voneinander sehr verschieden. Während es sich bei dem Rastergitter in der unzensierten Fassung um eine bloße Quadratur handelt, bei der der Kontrast der einzelnen Zeichenelemente fast zu verschwinden droht (so sind z.B. einige Zeichenelemente kaum von den Rasterlinien zu unterscheiden, dass man nur schwer erkennen kann, wo z.B. eine Wand ist), hat man bereits in der zensierten Fassung das Millimeter-Raster benutzt, welches man eigentlich auch die ganze 2. Edition durch beibehalten hat und bei dem durch die helleren Grautöne der Lineatur die einzelnen Zeichenelemente sehr gut zu unterscheiden sind.

Björn

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