DSA Boxrezension: Das Orkland

DSA Boxrezension: Das Orkland

Mit dieser Rezension begeben wir uns ein wenig weiter in die Vergangenheit von Das Schwarze Auge, nämlich mehr als 30 Jahre. Zu dieser Zeit war das DSA2-Regelsystem gerade aktuell und hatte das sehr viel rudimentärerer erste System bereits seit einigen Jahren abgelöst. Auch in diesen noch verhältnismäßig jungen Jahren von DSA wuchs bereits das Interesse, Quellenbände die sich thematisch mit Regionen und Kulturen auseinandersetzten zu verfassen. So erschien im Jahre 1991 die erste Auflage der Regionalspielhilfe Das Orkland mit der ISBN-Nummer 3-89064-264-0.

Wenn gleich bis dato die Schwarzpelze vorwiegend als Gegner und Abenteuerpunkte-Generierer herhalten mussten, machte es sich die Redaktion um Ulrich Kiesow zur Aufgabe, diesem spannenden Volk eine umfangreiche Persönlichkeit zu verpassen. Unterstützung bekam Kiesow von bekannten Autoren, wie Thomas Römer, Jörg Raddatz oder Ralf Hlawatsch. Die ersten beiden Auflagen dieser Regionalspielhilfe wurden von Schmidt Spiele verlegt. Die letzte Auflage erschien 1998 unter der Federführung von Fanpro.

Aufbau und Inhalt von Das Orkland

Wie sehr typisch für die Spielhilfen in den 90er Jahren, erschien auch Das Orkland als Box-Set. Darin enthalten wiederum waren die eigentlichen Hefte und Karten für den Spieltisch. Der Inhalt setzte sich dabei wie folgt zusammen:

  • das 80-seitige Fluff-Heft,
  • das 60-seitige Abenteuer-Heft,
  • die farbige ca. A2-große Karte Das Orkland und Andergast
  • die farbige ca. A2-große Karte Das Svellttal und das nördliche Mittelreich
  • die farbige A2-große Karte Stadt und Landt Lowangen

Diese Art und Weise der Zusammensetzung hat einen großen Vorteil, zu den heutigen sehr umfangreichen und bisweilen hunderte Seiten langen Hardcovereinbänden. Während man heute immer ein schweres Buch am Tisch hat, konnte man sich hier mit jenem handlichen Heft begnügen, das eben gebraucht wurde. Nachteilig hingegen ist natürlich die eher einfache und anfällige Bindung solcher Hefte.

Fluff-Heft: Das Orkland

Werfen wir einen kurzen Blick auf das Heft, welche die Regionalbeschreibung enthält. Hier hat man sich für eine übersichtliche Gliederung entschieden. Auf den ersten 16 Seiten geht es um die Flora und Fauna in und um das Orkland. Die landschaftlichen Beschreibungen reichen vom Firunswall, über die Blutzinnen bis zum Golf von Riva. Sämtliche Texte sind verhältnismäßig kurz aber durchaus prägnant und mit hohem Informationsgehalt verfasst. Die Texte lassen sich schön und flüssig lesen und werfen an der einen oder anderen Stelle auch interessante Fragen auf, die sich wiederum in eigene Abenteuer oder bekannte Mystera at Arcanas verwandeln lassen. Im Kapitel Von den Kreaturen gehen die Autoren auf einige wenige Wesen ein. So werden Greifen, Riesen, Kinder der Echse und Tiefzwerge näher beschrieben und in den Kontext zum Orkland gesetzt. Spannend ist das allemal. So erfahren wir von längst vergessenen alten Göttern der Echsenwesen, vom Kampf zwischen Swafnir und dem Riesen Wolkenkopf oder wo man möglicherweise nach der sagenhaften und überreichen Zwergenstadt Umrazim suchen sollte.

 

Das Orkland - Regionalspielhilfe Das Schwarze Auge
Die Regionalspielhilfe Das Orkland erschien in der ersten Auflage im Jahre 1991 - (c) RPGMarket.de

 

Die folgenden 20 Seiten beschreiben die Kultur der Orks genauer. Mit dieser Spielhilfe begann man bei Das Schwarze Auge den Wandel der Orks, weg vom einfachen hintergrundlosen Schurken, hin zu einer Kulturschaffenden Rasse. Wenn auch zunächst nur in etwas groben Ansätzen, ebnete Das Orkland den Weg für alle weiteren und detaillierteren zukünftigen Ausarbeitungen dieser absolut interessanten Kreaturen. Das Orkland befasst sich zunächst mit den wichtigsten Stämmen, geht dann über zur Religion der Orks, beleuchtet anschließend die geschichtlichen Daten, um zum Schluss noch einmal auf die Sprache einzugehen. Dieser Teil des Heftes untersucht für damalige Verhältnisse wirklich tiefgreifend, wie Orks in der Gemeinschaft funktionieren, welche Stellung die Frau hat, wie man Kinder großzieht und auch welche Künste in diesem "wilden" Volk stecken. Zwar stecken die Texte noch voller simplifizierender Vorurteile, wie die Beschreibung orkischer Musik mit "Vergessen wir's", aber andere Aspekte werden hier schon zu einem interessanten Bild geformt. So erfahren wir, dass die orkische Handwerkskunst bereits 4.000 Jahre alt ist und von den Zwergen vermittelt wurde oder das Hüttenkunde eine durchaus verbreitete Kenntnis in den Stämmen ist. Werte für Waffen, wie die Byakka, den orkischen Reiterbogen oder orkischen Kriegshund helfen dem Spielleiter, eine bessere Übersicht zu erlangen.

Nach diesem spannenden Exkurs nimmt die Publikation den Leser mit in jenen Teil des Orklands, dass von anderen Kulturen bevölkert und bewohnt ist, nämlich das Land am Svellt. Im Abschnitt Reisen durch Aventuriens Norden wird ein Auszug aus dem Tagebuch einer Havener Kaufmannstochter wiedergegeben, die entlang des Flusses Svellt reist. Neben diesen In-Spiel-Zitaten, erfährt der Leser in den weiteren Unterkapiteln über die Lebensart, Kleidungen, Sprache, typische Sportarten, Gesetzte und Kulinarisches über das Svellttal. Die im Anschluss beschriebene Stadt Rorkvell nimmt eine ganz besondere Stellung im Svellttal ein, denn sie ist gänzlich in Ork-Hand. Auf drei Seiten erfährt der Leser über die nun dort herrschenden Orks und wie sie sich dieses ehemals mehr als 300 Seelen umfassende Örtchen zu eigen gemacht haben. Das ist vor allem insofern spannend, als dass es einmal mehr zeigt, wie sehr sich die Redaktion der 90er Jahre darum mühte, den Orks zwar nicht das kriegerische und böse Gesicht zu rauben, ihnen aber zumindest versuchte eine gewisse Gesellschaft zu verschaffen, für die der Leser Verständnis erlangen kann.

Im Abschnitt Städte der Region werden dann auf weiteren zehn Seiten die bekanntesten menschlichen Städte beschrieben. Hierunter fallen Lowangen, Tjolmar, Tiefhusen, Gashok, Riva und Enqui. Insbesondere für die Städte Lowangen, Riva und Tiefhusen sind kopierbare schwarz-weiß-Stadtpläne im Heft enthalten. Die Beschreibungen der Städte selbst sind kurz und bündig und enthalten alle wichtigen Informationen zu den Menschen dort, welche wirtschaftlichen Grundlagen existieren und wo man einkehren kann. Kurze Stadt-Facts zeigen die Einwohneranzahl, militärische Stärke und die Situation der Tempel. Gesondert betrachtet wird die Stadt Phexcaer, auch bekannt als die Stadt der Diebe. Hier füllte die Redaktion ganze zehn Seiten. Darin enthalten sind vornehmlich ein historischer Abriss und die Situation der Stadt in aktuellen Tagen. Zusätzlich findet sich eine doppelseitige Karte der Stadt und eine genaue Beschreibung zahlreicher Lokalitäten innerhalb der Stadt.

Abgeschlossen wir das Fluff-Heft Das Orkland mit fünf Seiten Persönlichkeiten im Orkland und am Svellt. Hier findet der Leser zum Beispiel Sadrak Whassoi, den Marschall der Orks, Reno I., Kaiser des Svelltlandes Azzek den Orkmenschen. In gewohnter Manier werden die Charaktere kurz beschrieben, ihre Eigenarten vorgestellt und ihre Spielwerte definiert, sofern sie als meisterliche NSCs in einem Abenteuer auftreten sollten.

Abenteuer-Heft Das Orkland

Diese 1991 erschienene Regionalspielhilfe von Das Schwarze Auge wäre nicht komplett, wenn sie nicht einige Abenteuer enthalten würde, um direkt mit dem Spielen loszulegen. Das Heft ist mit 60 Seiten durchaus üppig und bietet zahlreiche Ansatzpunkte. Zunächst einmal finden sich zwei Gruppenabenteuer darin, nämlich:

  • Das Tal der tausend Blumen - für 3 bis 5 Anfänger-Helden
  • Fuchsspur - für 3 bis 5 fortgeschrittene Helden

Sowie ein Soloabenteuer:

  • Im Dienste des Brazoragh

Darüber hinaus liefert die Redaktion weitere Kurzabenteuer und Szenarienvorschläge:

  • Eine Meute in Tiefhusen
  • Betrogene Betrüger
  • Im Kampf für Recht und Ordnung
  • Nur ein simples Bild ...
  • Verlassen bis auf die Toten
  • Der Kaiser des Svelltlandes
  • Die "Svelltschöne"

 

Abenteuerheft aus Das Orkland
Das Abenteuerheft aus der Box Das Orkland enthält drei Abenteuer - (c) RPGMarket.de

 

Die Gruppenabenteuer sind durchaus gut gewählt. Während Das Tal der tausend Blumen davon handelt, eine neue Siedlung zu erschaffen, in der Orks und Menschen friedlich nebeneinanderher leben, bietet es vor allem Einsteigern eine gute Perspektive. Die recht lineare Handlung (Railroading) hilft dabei, den Fokus nicht zu verlieren. Andererseits bekommen verschiedene Heldentypen ausreichend Möglichkeiten sich in die Handlung einzubringen.
Das zweite Gruppenabenteuer Fuchsspur handelt von einer Gruppe vermisster Gardisten und ist deutlich anspruchsvoller für Helden und auch die Spielleiterin. Hier bedarf es einer umfangreicheren Vorbereitung und vor allem der Nutzung des Fluff-Hefts Das Orkland, um ausreichend Grundlagen für mögliche Improvisationen zu erlangen.
Das Soloabenteuer Im Dienste des Brazoragh führt als erstes Ork-Soloabenteuer "auf unterhaltsame Weise einige der typischen Züge der Orkkultur und -mentalität vor Augen". Mit acht Seiten ist dieses Abenteuer auch nicht zu umfangreich und kann sehr gut innerhalb einer Stunde durchgespielt werden.

Die Kartenwerke

Die beiliegenden farbigen Karten bieten einen Mehrwert mit Blick auf die landschaftlichen und örtlichen Begebenheiten. Die beiden Karten Das Orkland und Andergast sowie Das Svellttal und das nördliche Mittelreich können passgenau aneinandergelegt werden. Hier sind die wichtigsten Straßen, Reichsstraßen und Feldwege eingetragen. Ebenso finden sich alle bekannten größeren Orte und Städte. Einerseits reicht der abgebildete Landstrich von Greifenfurt im Süden bis Tjolmar im Norden sowie von Joborn im Süden bis zur Quelle der Gjalska im Norden.

Das A2-große farbige Poster Stadt und Landt Lowangen bietet ebenfalls eine gut zu bespielende Übersichtskarte der Stadt Lowangen. Es handelt sich um die typische Draufsicht oder Vogelperspektive. Neben der gesamten Stadt werden auch umliegende Gehöfte, Furten, Wehranlagen und Wälder darauf abgebildet. Die Beschreibung einzelner Lokalitäten innerhalb der Stadt findet sich im Fluff-Heft Das Orkland.

RPGMarket-Fazit

Das Orkland ist eine Spielhilfe-Box, die eingefleischte Das Schwarze Auge Fans durchaus im Regal haben dürfen. Hat sie zwar bei weitem nicht den Umfang späterer Publikationen, wie Reich des Roten Mondes, stellt sie aber einen Meilenstein bei der Entwicklung der Orks hin zu einer gesellschaftlichen Rasse mit unterschiedlichen Facetten. Insbesondere die Tatsache, dass die Box das erste Soloabenteuer enthält, in der ein Spieler in die Rolle eines bis dato rudimentären Haudrauf-Gegners schlüpft, zeugt von der positiven inhaltlichen Entwicklung, die Aventurien in den kommenden Jahren erfahren sollte. Wie bereits eingangs geschrieben, finden wir das ehemalige Boxing, das sich bis zur vierten Edition von Das Schwarze Auge durchgezogen hat, durchaus interessant. Zum einen sind die Hefte und Poster bei Nichtnutzung immer innerhalb der Box geschützt und zum anderen ist es eben nicht nötig, stets die gesamte Publikation nutzen zu müssen. 

Zum gesamten Layout darf man durchaus auch positive Worte niederschreiben. Natürlich ist es nicht mit den heute bekannten künstlerischen Verzierungen, Zeichen und Runen versehen, die unsere Augen beim Lesen aktuellen Publikationen verzücken. Diese einfache Darstellungsweise, im Sinne von Überschrift und Text, führt aber eben auch nicht zu Ablenkungen beim Lesen. Dennoch finden wir ab und an interessante, wenn auch nur kleine und in Schwarz-Weiß gehaltene Zeichnungen, die an bestimmten Stellen den Text unterstützen und mitunter helfen besser in die Fantasie-Welt einzutauchen. Hierzu zählen natürlich auch die schwarz-weißen Karten, die als Kopiervorlage dienen dürfen. Der Druck ist sauber und scharf und bietet einen Mehrwert für die Spielerinnen und Spieler am Tisch. Im Abenteuerheft ist die Darstellung von Meisterinformationen noch etwas anders, als man dies aus neueren Publikationen gewohnt ist. Diese Art der Darstellung ist aber mitnichten schlecht. Vor den Meisterinformationen befindet sich ein dicker vertikaler schwarzer Balken, der einen klaren visuellen Trenner schafft. 

Als kleines Manko mag man an dieser Stelle aufführen, dass die Boxen der 80er und 90er Jahre noch nicht die Stabilität der Boxen aufweisen, die man später bei DSA4 erreicht hat. Das heißt, beim Öffnen und Schließen sollte man Acht geben, dass sich der Kleber der Ecken nicht löst. Auch die Bindung der Hefte ist bisweilen nicht optimal. Bei häufiger Nutzung kann es durchaus vorkommen, dass sich einzelne Seiten lösen und zumindest anteilig abtrennen.

 

Kartenwerk aus Das Orkland
Das Kartenwerk aus Das Orkland enthielt drei separate farbige Karten - (c) RPGMarket.de

 

Die Qualität der in der Box beiliegenden externen farbigen Karten ist gewohnt hoch. Bis heute hat sich das kaum geändert. Die Poster haben eine tolle Haptik und sind weitestgehend wasserabweisend. Außerdem ist die Papierstärke gut, was zu einer langen Nutzung führt. Auch die Abbildungen auf den Karten sind stimmig und logisch. Berge sind klar von Hügeln zu unterscheiden, Wälder klar von Hainen und Städte klar von Ortschaften. Der Stadtplan von Lowangen ist ebenfalls sehr umfangreich und detailliert. Vor allem die Größenverhältnisse sind durch die einzelnen Objekte klar zu erkennen und helfen bei der Orientierung oder gar beim Spiel in der Stadt. Der Künstler Markus Holzum nutzt den Stadtplan von Lowangen "seitdem immer als Blanko-Stadt für alle Stadtabenteuer". (vgl. Pläne des Schicksals: Was Aventuriens Kartenschöpfer inspiriert (Teil 2))

Unserer Meinung nach ist Das Orkland eine gelungene Publikation der 90er Jahre. Natürlich muss man sich vor Augen halten, dass Aventurien in dieser Zeit bei weitem weniger ausgearbeitet war. Vieles steckte bei Das Schwarze Auge noch in den Anfängen und einiges, was damals geschrieben wurde, könnte man heute missverstehen oder anders interpretieren. Doch diese Diskussion wollen wir hier nicht vom Zaun brechen. Vielmehr sehen wir eine Regionalspielhilfe, die vieles richtig macht und ein Wegweiser darstellt bei der Entwicklung neuer Kulturen und auch bei der Erschaffung von Karten und Plänen. Das Orkland mag nicht die Publikation gewesen sein, auf die die Spielergemeinschaft damals wartete, aber die Redaktion um Ulrich Kiesow hat die Region gut aufgearbeitet und auch differenziert dargestellt. Mit insgesamt 140 Seiten zählt das Werk sicherlich nicht zu den umfangreichsten und hätte an der ein oder anderen Stelle durchaus noch ein paar mehr Seiten verdient gehabt. Vor allem dem Bereich der Kreaturen fehlt es inhaltlich einfach an Umfang. Lediglich vier Kreaturentypen werden hier beschrieben. Wenn gleich diese durchaus interessant sind und als Abenteuerinitiatoren gelten dürften, fehlt es vor allem an simplen und weniger komplexen Wesen. Dennoch ist der spielerische Nutzen groß, sowohl auf Seiten der Spielleiter als auch auf Seiten der Charakter-Spielerinnen und -spieler.

Sollte man über Das Orkland wissen

Als die erste Box im Verlag von Schmidt Spieler im Jahre 1991 erschien, wurde das Werk für 55,- DM, umgerechnet ca. 28,-€ verkauft. Auch die beiden späteren Auflagen, die inhaltlich völlig unverändert blieben, wurden zu diesem Preis verkauft. Wenn man heute noch im Besitz von Das Orkland ist, wird man schnell feststellen, dass die Publikation bis heute ihren Wert erhalten hat. Besonders gut erhaltene Exemplare können durchaus Preise bis 40,-€ erzielen. Leider werden die Boxen häufig auseinandergerissen und die beinhalteten Hefte einzeln verkauft. Übrigens: Die Cover-Illustration wurde von Ugurcan Yüce gezeichnet, einer der bekanntesten Illustratoren und Zeichner für Das Schwarze Auge.

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