Moin Tom,
wir beiden sind ja bekanntlich Moinsager, du noch moiniger als ich, dafür aber keinen Fußballverein in der 1. Liga. Okay, ich schweife ab; kommen wir zum Kern, dem Interview mit dir. Mir fällt gerade nicht ein, wo wir uns kennengelernt haben, ich vermute in Bielefeld. Fakt ist: es ist Dekaden her.
Nun geht‘s aber los. Bereit?
"Irgendwie hatte mich der Werbespruch für ein „Fantasie-Spiel ohne Brett“ derart getriggert, dass ich meine drei Geschwister alle um einen Teil ihres Taschengeldes brachte"
> Seit wann ist Rollenspiel Teil deines Lebens und was war dein Erstkontakt?
"Meinen Erstkontakt mit den Fantasy-Rollenspielen hatte ich 1984 – und zwar mit der damaligen Start- oder Basisbox von Das schwarze Auge. Aufmerksam geworden bin ich auf DSA durch eine Anzeige von Schmidt Spiele in der ‚Mädchen‘, eine Teenie-Zeitschrift, die die ältere meiner beiden Schwestern damals las (und ich natürlich ebenfalls, wo das Teilchen gerade schon mal rumlag …). Irgendwie hatte mich der Werbespruch für ein „Fantasie-Spiel ohne Brett“ derart getriggert, dass ich meine drei Geschwister alle um einen Teil ihres Taschengeldes brachte, damit „wir“ uns endlich mal ein neues Spiel kaufen konnten. Danach war es um mich geschehen. Spätestens mit Erscheinen unseres Rollenspiel-Fanzines ‚Die Schriftrolle‘, das ich fünf Jahre zusammen mit meinem Mitherausgeber Hanke Penning herausgab, tauchte ich dann tief in die Welt des Rollenspiel-Fandoms ein und lernte neben DSA auch Rollenspiele wie AD&D, Call of Cthulhu und Traveller, insbesondere aber auch die professionelle deutsche Verlagsszene kennen. Ich schrieb dann viel für Verlage wie Laurin (Cthulhu, MERS, ZauberZeit) und phase (PP&P), bis ich 1995 mit „Grenzenlose Macht“ meinen ersten offiziellen Abenteuerbeitrag zu DSA verfasste und ab 1997 – also ab „Rausch der Ewigkeit“ - Teil der damaligen DSA-Redaktion wurde."
> In welchen Systemen bist du zu Hause und was würde dich noch reizen?
"In gar nicht so vielen, wie Ihr vermutlich annehmt. Rollenspiele gehören noch immer zu meinen liebsten Freizeitbeschäftigungen, allerdings spielen wir schon lange alles querbeet – darunter viel selbst erfundenes Zeug zu Sachen wie Supernatural, Harry Potter oder ganz freie Storys. Heißt: Wenn ich mich mal wieder auf ein fertiges System einlasse, muss ich mich da stets erst wieder einlesen. Ehrlich gesagt, hasse ich zu komplexe Systeme. Ich bin einfach nicht mehr in dem Alter, in dem es mir Spaß macht, mich durch Tonnen an Regelwerke zu kämpfen. Privat mag ich es regeltechnisch gern deutlich simpler. Für mich war das eigentliche Abenteuer stets wichtiger, als die Regeln."
"Aber wenn Zeit und Gelegenheit kommen, bin ich für alle Schandtaten zu haben"
> Nach etlichen Publikationen für Rollenspiele, wie Cthulhu und Das Schwarze Auge, hast du dich auf das Schreiben von Romanen spezialisiert und eine große Fangemeinde angesammelt - nicht zuletzt, weil deine Romane spannend zu lesen sind und über Wendungen verfügen, die die Leserin oft zum Grausen und Staunen bringt. Magst du uns einen kurzen Überblick geben, woran du aktuell arbeitest?
"Danke für das Lob. Tatsächlich resultiert meine Arbeit als Schriftsteller unmittelbar aus meiner Arbeit als Rollenspielautor. Denn einen Großteil meines dramaturgischen Könnens habe ich mir als Autor von Rollenspielpublikationen erarbeitet. Bei alledem bin ich in der ganzen Phantastik zuhause, schrieb und schreibe also Romane und Thriller zu den Genres High Fantasy (hier auch unter dem Pseudonym F.I. Thomas), Urban Fantasy, SF und seit zehn Jahren verstärkt Mystery und Horror. Ich kann aber auch anders, weil es als Schriftsteller sonst langweilig würde. Aktuell – also Mai 2022 - ist gerade „Whispering Fields – Blutige Ernte“ bei Knaur erschienen, ein sommerlicher Horror-Thriller um Kornkreise, Kornmythen und die alte sorbische Legende von Krabat. Und derzeit arbeite ich an einem zweiten Band für A.R.G.O.S. (Luebbe), ein augenzwinkernder Agententhriller um eine ultrageheime europäische Agentenorganisation."
> Hast du künftig vor, wieder einmal etwas für einen Rollenspielverlag zu schreiben und wenn ja, in welchem Bereich und wie lange dürfen wir darauf noch warten?
"Hin und wieder tue ich das, zuletzt etwa für Splittermond. Faktisch ist das lediglich eine Frage der Zeit, denn ich bin ja hauptberuflicher Autor und muss damit mein Auskommen verdienen. Insofern genießen Romane seit einigen Jahren Priorität. Aber wenn Zeit und Gelegenheit kommen, bin ich für alle Schandtaten zu haben. Und ja, da ist etwas gemeinsam mit einer beliebten DSA-Kollegin in der Pipeline, ein Projekt, zu dem ich mich aber noch nicht äußern kann. Was aber – wenn es glückt – Fans nicht wundern dürfte …"
"Tatsächlich ist der Roman (Weißer Schrecken) damals aus einer Horror-Rollenspielidee hervorgegangen."
> Und konkret?
"Eine konkrete neue Rollenspielpublikation findet ihr in der Luxus-Edition meines vorweihnachtlichen Horrorromans „Weißer Schrecken“, die – nach einigen Verzögerungen wegen Corona - noch dieses Jahr als Hardcover im Buchheim Verlag erscheint. Tatsächlich ist der Roman damals aus einer Horror-Rollenspielidee hervorgegangen. Bei den Überlegungen, wie wir aus dieser Buchpublikation etwas ganz Besonderes machen könnten, lag es nahe, den einzigartigen Werdegang der Story bei der Neugestaltung aufzugreifen – und beide Welten miteinander zu verknüpfen. Also Roman und Rollenspiel. Der Hardcovertitel umfasst daher nicht nur den komplett neu lektorierten Roman von 2010, ihr findet darin auch ein brandneu verfasstes 25seitiges Supplement, das die komplette Romanstory von „Weißer Schrecken“ als Horror-Rollenspielabenteuer umsetzt. Zuzüglich eines guten Dutzend toll illustrierter Handouts, zehn Illustrationen und einigen weiteren Extras mehr, verbindet diese Publikation also beide Welten."
> Wonach suchst du schon lange und würdest dich freuen, es auf RPGMarket.de zu finden?
"Schwierig. Zuletzt habe ich einige Titel für H.P. Lovecrafts Cthulhu gesucht – und bin auch fündig geworden :-)."
> Bevor wir diesen Beitrag zum Ende bringen, hast du noch das Recht auf die famous last words. Gibt es noch etwas, was du uns und unseren Lesern wie auch Leserinnen mit auf den Weg geben möchtest?
"Oje. Na, vielleicht das hier: Als Autor zahlreicher Rollenspielabenteuer freue ich mich noch immer sehr darüber, dass so viele meiner Publikationen selbst nach so vielen Jahren noch immer so viele begeisterte Spieler finden. Wer die Publikationsdichte der letzten 30 Jahre kennt, weiß, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Und das ehrt mich wirklich sehr. Insofern also einfach mal Danke für so lange Spieler- und Lesertreue. "
Thomas, vielen Dank für deine Zeit und den kleinen Einblick in deine Gedanken. Bleib gesund und natürlich so kreativ, wie bisher.
Dieses Interview wurde am 21.05.2022 geführt.
Weitere Informationen zu Thomas Finn, seinen Werken und seiner Arbeit finden sich auf seiner Website http://www.thomas-finn.de/.
Der Hampi aka Jörg Middendorf