Hallo Thomas,
recht schnell war mir bewusst, dass du eine besondere Größe in der Rollenspielwelt bist. Schon in den 80ern freuten wir (die damalige DSA-Szene) uns über Abenteuer, die aus deiner Feder stammten. Ein Testspiel bei dir, Arbeitstitel „Dicke Kartoffeln“ und letztendlich unter dem Titel „Alptraum ohne Ende“ erschienen, war ein besonderes Highlight, das ich persönlich erleben durfte; weitere folgten.
Ich möchte nun zu konkreten Fragen kommen und wir alle sind auf deine Antworten sehr gespannt:
"Und da ist uns in einem Karstadt für ca. 25 Mark die erste DSA-Basisbox in die Hände gefallen"
>Seit wann ist Rollenspiel Teil deines Lebens und was war dein Erstkontakt?
"Erstkontakt müsste im Sommer 1984 gewesen sein. Wir – das sind in dem Fall Michael Johann und ich – waren als Ordner auf einem 'Umsonst und Draußen' Festival in Papenburg. Und in der Zeit davor und danach haben wir mit Freunden aus dem Emsland und Ostrfriesland halt so abgehangen, wie man das mit 19 so tut. Und da ist uns in einem Karstadt für ca. 25 Mark die erste DSA-Basisbox in die Hände gefallen, die wir gleich ausprobiert haben. Also ganz klassisch Silvanas Befreiung. Dann haben wir ne Zeitlang verschiedene Sachen ausprobiert – es gab in Hagen einen Rollenspieltreff, wo wir D&D, Runequest, Midgard, Traveller ausprobiert haben. Aber wir sind bei DSA geblieben, zumal unsere Tabellen – Schätze, Wetter, Begegnungen, also das, was später in der Kreaturenbox gelandet ist – und meine Karten bei Uli Kiesow gut ankamen und wir dann recht schnell bei DSA mitgearbeitet haben, quasi ab der Magiebox von DSA 2."
>In welchen Systemen bist du zu Hause und was würde dich noch reizen?
" 'Zu Hause' in dem Sinn, dass ich halbwegs regelmäßig was schreibe und an der Konzeption beteiligt bin, aktuell eigentlich nur bei Splittermond. Bei ein paar anderen Sachen freelance ich noch als Autor oder Übersetzer, aber das sind eher kleinere Sachen. Auch mit Shadowrun, das ich ja bei Fanpro auch ein paar Jahre betreut habe, hab ich kaum noch Kontakt. Als SL bin ich ja seit Jahren der Science Fiction (also der mit Raumschiffen) verhaftet und spiele hauptsächlich Serenity, Fading Suns, Eclipse Phase, neuerdings auch Coriolis. Aber sonst bin ich eher ein "Wanderer" als irgendwo zu Hause. Momentan z.B. hab ich als SL viel Spaß am neuen Warhammer FRP, und wenn ich im Herbst meine große Ladung Fateforge aus Frankreich bekomme, werde ich wohl auch mal ne 5e-Runde aufmachen. Und spielen ... naja, fast alles. Da kann ich eigentlich nur sagen, woran ich keinen wirklichen Gefallen finde: Superhelden und klassische Postapokalypse. Und etliche Erzählexperimente sind auch nicht so meins, ich bin definitiv eher ein Liebhaber von Abenteuer-Rollenspielen und 'Plot vor Drama'."
>Du warst Chefredakteur vom Schwarzen Auge und auch von Shadowrun. Trauerst du diesen Zeiten nach? Würdest du dich dort gerne noch einmal einbringen oder sind das Kapitel in deinem Leben, die geschlossen sind?
"Nach Myranor würde ich gerne zurück, mit klassischem DSA bin ich, glaube ich, durch. Das liegt aber weniger an Aventurien oder grundsätzlich am System als an ... ach lassen wir das. Und bei Shadowrun bin ich irgendwie raus, das war auch ein bisschen was mit zu viel abgedrehter Kram, zu schnelle und eher mäßig durchgezogene Editionswechsel. (Post-)Cyberpunk-Elemente, Heists, Kommandounternehmen, kann ich alles in Eclipse Phase haben. In Spaaace. Oh, und außerdem ist das vom Team um Rob Boyle, der ja auch eine Zeit lang Line Editor bei SR war."
"Ein Holland-Urlaub 1986, auf dem wir eine Woche lang eine epische DSA-Kampagne [...] durchgezogen haben"
>Was waren deine drei schönsten Erlebnisse im Rollenspiel?
"Das ist zum einen ein Holland-Urlaub 1986, auf dem wir eine Woche lang eine epische DSA-Kampagne mit Rittern von jenseits des Ehernen Schwerts durchgezogen haben, geleitet von Michael Johann. Dann - ebenfalls DSA - die Eröffnungs-Abenteuer der Phileasson-Kampagne bei Bernhard Hennen himself - Bernhard ist ein so toller Erzähler, dass es uns trotz gut geheizter Räume in Spielefeld wirklich gefröstelt hat, als wir durchs Eismeer gesegelt sind. Und die Trinity-Kampagne, die primär Gwinny geleitet hat, war auch ganz großes Kino, nicht nur wegen Thema und Leitung, sondern auch wegen der Interaktion im Team. Ach, und Paddys Buffy-Kampagne hatte viele großartige Momente. Aber wenn du mich morgen fragen würdest, hätte ich wahrscheinlich noch einige andere tolle Erlebnisse .."
>Du hast viele Menschen über das Rollenspiel kennengelernt, einerlei, ob Persönlichkeit, Norm oder Nerd. Welche Menschen sind besonders wichtig, lieb oder teuer in deinem Leben, die dich geprägt, dir Wege gewiesen haben oder die du lieb gewonnen hast?
"Fishing for Compliments, Hampi? Nee, eigentlich besteht fast mein ganzer Freundeskreis aus Rollenspieler*innen. Das heißt: Ich kann gar nicht ohne all die lieben Menschen, egal, ob "Pros" oder "einfach nur" Mitspielende. Da sind einfach unwahrscheinlich viele tolle Leute dabei. Aktuell möchte ich mich ganz besonders bei Mhaire und Nico von Orkenspalter bedanken, die mir über einen echten Durchhänger und eine fiese Phase während des 2020er Lockdowns weggeholfen haben. Keep on rockin'!"
"Über die Jahre war ich mit ein bisschen Kleinkram auch mal an Cthulhu (dem Mittelalterband) beteiligt"
>Aktuell schreibst du für den Uhrwerkverlag. Magst du uns mitteilen, für welche Systeme du wirkst und woran du aktuell arbeitest? Gibt es noch weitere Systeme von anderen Verlagen, die du mit deiner Inspiration bereicherst?
"Ich hab's ja oben schon gesagt, hauptsächlich ist das Splittermond, wo ich mit in der Weltredaktion sitze. Ich hab aber auch die Redaktion für den deutschen Abenteuerband von Mutant Year Zero gemacht, ein bisschen was für die Glossar-Arbeit bei Coriolis getan, ein Abenteuer für Dungeonslayer geschrieben. Was man halt so im Umfeld einer Redaktion macht. Über die Jahre war ich mit ein bisschen Kleinkram auch mal an Cthulhu (dem Mittelalterband) beteiligt, habe mit Uli Lindner zusammen an einer Erweiterung für Quest gearbeitet, die sich dann aber zerschlagen hat, habe ein Angebot, bei einem deutschen SF-System mitzuarbeiten, wo ich mich immer wieder mal einlese, habe Consulting für ein Fantasy-Projekt gemacht, das momentan noch geheim ist, aber grundsätzlich eine große Nummer sein könnte. Aber das ruht aktuell alles, weil ich jetzt wieder nine-to-five bei einer PR-Agentur für meine Rente arbeite. Und ich wurstele ja seit Jahren an einem eigenen SF-System und -Setting rum, das momentan aber auch auf Eis liegt."
>An dieser Stelle kannst du dir selbst eine Frage stellen, die du gerne beantwortet hättest und an die ich vielleicht nicht gedacht habe. Falls es keine weitere gibt, die du beantworten möchtest, hätte ich hier noch eine, die du vielleicht beantworten magst: Was ist das Geheimnis deiner überaus glatten und wohlgestalteten Kopfhaut?
"Wie, keine Frage nach der Zukunft des Rollenspiels? Positiv, aber sehr fragmentiert (also alles außer 5e). Und: Nassrasur mit Marken-Doppelklingen vor Fototerminen ;-)"
>Wonach suchst du schon lange und würdest dich freuen, es auf RPGMarket.de zu finden?
"Puuh. So viel gibt es gar nicht mehr, wonach ich wirklich suche; ich schaue eher, dass ich ein bisschen neues Zeugs bekomme, um mal wieder das ein oder andere auszuprobieren. Ein paar Sachen der englischen Warhammer Second Edition, das Genesys-Kampagnenbuch zu Android, Mindjammer-Ergänzungsbände und -Abenteuer, ach, so quer durch halt."
>An dieser Stelle hast du noch die Gelegenheit ein paar „famous last words“ für uns zurückzulassen:
"Per aspera ad astra und so, oder, in Abwandlung von Edisons berühmtem Zitat: Erfolg ist ein Teil Inspiration - und neunundneunzig Teile Transpiration."
>Vielen Dank für deine Zeit, bleibe gesund, inspiriert und kreativ.
"Dankeschön, und euch viel Erfolg mit eurem Projekt!
Dieses Interview wurde am 02.10.2021 geführt.
Weitere Informationen zu Thomas Römer und seiner Arbeit finden sich auf seinem Wikipedia-Eintrag.
Der Hampi aka Jörg Middendorf
2 Kommentare
Nur zu, nur zu! Sidor Corabis verdient einen solchen Band aus deiner Feder. Klingel doch mal bei Thomas durch. Wie schön wäre es, wenn so ein kleines Interview einen so tollen Effekt hätte? :-)
Wow, Thomas Römer hätte auch noch Interesse, wieder was für Myranor zu machen… Da juckt es mich gleich noch mehr in den Fingern, selbst auch wieder was zu machen (und vielleicht doch noch mal den Sidor Corabis-Band fertig zu stellen…), und erinnert mich an alte Zeiten, in denen das Myranor-Hardcover entstanden ist…