Landkarten, Stadtansichten, Grundrisse von Burgen – die Künstlerinnen und Künstler der DSA-Karten zeigen uns, wo es langgeht in Aventurien. Hier erzählen sie von den Werken, die sie in ihrer Arbeit inspirierten
von Anton Weste
Ob Farbe oder Schwarzweiß, Postkarten- oder Posterformat: Karten und Pläne gehören zum Rollenspiel wie Würfel und Charakterblatt. Und beim Schwarzen Auge sind da in fast vierzig Jahren und hunderten von Publikationen etliche Werke zusammengekommen. In dieser kleinen Reihe von Blogbeiträge berichten Schöpferinnen und Schöpfer von den DSA-Karten, die sie beeindruckt haben. In Teil 2 öffnen Diana Rahfoth und Markus Holzum ihre Erinnerungskiste. Teil 1 mit Steffen Brand, Daniel Jödemann und Ina Kramer findest du hier.
Diana Rahfoth: „Einfach hammerhart diese Map“
Wer in den letzten Jahren in DSA-Bänden blätterte, hat höchstwahrscheinlich schon mal eine Zeichnung von Diana Rahfoth entdecken können. Die studierte Archäologin arbeitet als Illustratorin für deutsche Spieleverlage und betreut als freie Redakteurin DSA-Publikationen. Das aventurische Kartenwerk ergänzte sie beispielsweise um Stadtpläne von Andergast (Im Griff der Schwarzen Eiche), Boran (Schattenlande), Selem (Bahamuths Ruf) und Hôt-Alem (Die dampfenden Dschungel).
Es gebe unter den zahllosen Karten aller Editionen etliche, die ob des Stils, der Farbgebung und der sichtbaren Mühe bemerkenswert seien, sagt die Lübeckerin.
„Da ist Vieles, das einen vom Hocker haut und wo man denkt: Was da für Zeit, Geduld, Sorgfalt und Aufwand drin steckt!“
So etwa bei Hannah Möllmanns farbig eindrucksvoller Yol-Ghurmak-Karte, die so viel Atmosphäre transportiere, dem Fasar-Stadtplan und das Vorher/Nachher-Arivor.
„Gerade wenn es um so mühevoll-kleinteilige Zeichnungen geht, bin ich immer wieder hin und weg“,
sagt Diana. Ausführlicher möchte sie einige nennen, zu denen sie in all den Jahren gewissermaßen besonders innige Beziehungen aufgebaut hat.
„Generell haben die farbigen Stadtkarten von Ralf Hlawatsch (die mit den roten Häusern <3) und die Farbkarten aventurischer Regionen von Ina Kramer noch aus DSA2- und DSA3-Zeiten meine aventurische Anfangszeit begleitet und geprägt. Hervorheben will ich die Regionalkarten, die sich zu dieser riesengroßen Aventurien-Map zusammenlegen ließen. Allein der Umfang und die Detailtiefe haben mich schon seit Anbeginn meines ‚DSA-Nerdtums’ fasziniert. Sich vorzustellen, dass damals all diese Regionen per Hand gezeichnet, mit Acrylfarbe bemalt und noch aufeinander abgestimmt wurden, so dass sie ein großes Ganzes ergeben können. Sich zu vergegenwärtigen, was für eine handwerkliche Sorgfalt da an den Tag gelegt wurde, verlangt Respekt. All diese kleinen helleren Tüpfelchen auf den unzähligen Wäldern … einfach hammerhart diese Map. Heute arbeiten die meisten von uns wohl digital. Auch da wäre so eine Karte eine zeitverschlingende Herausforderung. Aber Dank Photoshop und Co. haben wir immerhin die Möglichkeit auch mal Copy & Paste zu nutzen und reversibel Farbgebungen auszuprobieren.“
„Steffen Brand zeichnete ebenfalls eine wunderschöne Aventurienkarte. Jeder, der DSA 5 ausprobiert hat, dürfte diese Map kennen, denn sie ist in neueren Publikationen vorn abgedruckt: ‚Vielen Dank an alle Mitgestalter von Aventurien’ steht da. Mich fasziniert unter anderem seine echt krasse Darstellung von Wasser. Wie Steffen diese zahlreichen Wellen zeigt, die unruhig sind und gleichzeitig eine passende Struktur um den Kontinent ergeben. Als wirkungsvoll empfinde ich auch diese leichte Umrahmung, eine zweite Line, einmal um Aventurien herum. Eine schöne, aber nicht aufdringliche Betonung. Die Karte besticht durch farbige Schlichtheit, was gut zu ihr passt. Ich habe mich schon mehrfach beim ‚Wellen studieren’ erwischt, die haben glatt etwas Meditatives.
Nebenbei erwähnt: Ich bin auch ein Fan all der pergament-monochromen Karten, die Steffen für zahllose Abenteuer zeichnet – von Grundrissen über regionale Gegebenheiten bis hin zu Örtlichkeiten. Schlicht, übersichtlich und dazu diese tolle Schraffur.“
„Zuletzt komme ich zu der Person, die meine eigenen Karten am meisten geprägt hat, sowohl was die Gestaltung der kleinen Stadtkartenhäuschen als auch die Farbgebung angeht: Hannah Möllmann. Ihre großartigen Stadtpläne waren Hauptorientierung für alles, was ich kartentechnisch gemacht habe. Ich liebe ihre Farbgebungen (nicht zu doll, nicht zu blass), wie sie Wasser zeichnet (mit so einem kleinen Effekt darin), wie sie Felder darstellt (unterschiedliche Saat hat unterschiedliche Linien) und die Technik wie sie Häuser zeichnet. Man sieht, dass sie alles freihändig erledigt und kein Tool nutzt, das die Wände supergerade und rechtwinkelig setzen würde. Die Karten haben dadurch so viel Charme für mich. Trotzdem ist alles klar und sauber.
Mein Liebling ist hier die gigantische Garethkarte aus Gareth – Kaiserstadt des Mittelreichs. Klar, allein ihre Größe macht sie bemerkenswert. Die Metropole ist kontinuierlich sorgfältig durchgezogen – bis in die äußersten Ecken. Ich habe sehr lange eine Art Simulation in Gareth gespielt und hatte ständig diese Karte auf dem Schoß; ich habe also auch eine persönliche Bindung.“
Markus Holzum: „Die Karten haben mir Aventurien näher gebracht als die Texte“
Der Oldenburger Markus Holzum ist als Illustrator, Fernsehgrafiker und Motion Designer tätig. Neben den Rollenspielen Midgard, Space: 1889 und Khorgil zeichnet er seit 2010 auch für Das Schwarze Auge. Er schmückt Abenteuer wie Spielhilfen mit sehr plastisch wirkenden Plänen, Luftansichten und Karten. So stammt beispielsweise die große A1-Aventurienkarte für DSA5, enthalten im Landkartenset Aventurien, von seinem Zeichentisch. Markus erzählt uns gerne von seine Favoriten im aventurischen Kartenwerk:
„Die Regionalkarte von Thorwal, die im Karton mit Schicksalsklinge lag, war gewissermaßen der Startschuss. Da muss ich etwas ausholen. Ich war als 18jähriger bei einem Kumpel, der schon damals (Anfang 90er) unheimlich viele Computerspiele besaß. Als ich ihn besuchte, war jene Karte über seinen Amiga 500 an die Wand gepinnt und ich starrte wie gebannt drauf. Ich fragte: ‚Was ist das für ein Spiel?’ Er sagte, ohne vom Bildschirm wegzuschauen: ‚Das schwarze Auge ... Du brauchst viel Zeit dafür’. Ich: ‚Krass! Wo spielt das Spiel denn genau auf der Karte?’ Er: ‚Überall da. Du kannst reisen wohin Du willst.’ Da war es um mich geschehen. Als meine Freundin und ich dann den Winter mit dem Game verbrachten, kam ein anderer guter Freund zu Besuch. Er schaute auf den Bildschirm: ‚Oh, Das Schwarze Auge ... hat uns unsere Mutter vor Jahren mal zu Weihnachten geschenkt. Fanden wir nicht so toll ... aber wir können das ja mal spielen. Da gibt’s so eine Geschichte, irgendwas mit Sylvias Befreiung oder so ...’ Gesagt getan, der Rest ist Geschichte.
Alle Regionalkarten von Ina Kramer waren für mich fortan der Inbegriff von Rollenspielkarten. Die klare Aufteilung von Bergen, Hügelland und Wäldern (alles analog und trotzdem in Reliefoptik) haben mich tief in Welt eintauchen lassen. Der Detailgrad hat den Entdecker in mir geweckt. Was ist wohl in dem Wäldchen zwischen den Hügelgruppen und dem kleinen Fluss versteckt? Die Karten haben auch dafür gesorgt, dass man ein gutes Gefühl für den Maßstab bekam. Dass man eben nicht ‚mal eben’ von Thorwal nach Prem reist. Später habe ich mir auch das gesammelte Kartenwerk zugelegt. Meinen Plan, all diese Regionalkarten mal zusammenzukleben, habe ich bis heute noch nicht umgesetzt. Abschließend muss ich gestehen, dass mir Aventurien als Welt durch diese Karten näher gebracht wurde als durch die Texte.“
„Wir schrieben 1998. Ich war Student und wollte die Sieben-Gezeichneten-Kampagne leiten. Nach Alptraum ohne Ende war nun Unsterbliche Gier an der Reihe, und es sollte meine erste ‚Sandbox’ werden. Die dafür nötige In-Game-Karte vom Herzogtum Weiden gab es nur in der Spielhilfe Das Herzogtum Weiden, die ich nicht besaß und auch nicht ad hoc erwerben konnte. Das Internet war noch jung. Trotzdem versuchte ich mein Glück. Ein Typ nannte die Karte sein Eigen und per Mail bot er mir an, sie mir (illegaler Weise) zu schicken. Sie würde allerdings 5 DM kosten ... Ich vertraute in die Solidarität von DSA-Spielern und überwies ihm die 5 Mark. Tatsächlich schickte er mir zwei Tage später die Karte per Mail.
Im Gegensatz zu anderen Karten, war dieses Werk von Niels Gaul ordentlich verziert, geradezu künstlerisch. So etwas hatte ich bisher nicht als Rollenspielkarte gesehen. Auch (oder gerade) weil vieles auf dem Ausdruck (und durch die Gestaltung) schwer zu entziffern war, verbrachte ich sehr viel Zeit mit der Karte. Dem Abenteuer hat es auf jeden Fall gut getan und aufgrund der etwas unüblichen Geschichte über die Erstehung hat sie bei mir einen Ehrenplatz in der Sammlung verdient.“
„Eine besondere Erinnerung verbinde ich mit dem Plan des Schicksals aus Silvanas Befreiung. Wie eingangs erwähnt, schlug auch ich mich mit meinem Kumpel durch die Goblinbarracken, um das wohl meist entführte Mädel in Fantasy-Deutschland zu befreien. Jeder kann wohl seine Geschichte dazu erzählen. Meine war die, dass ich durch Computerspiele (Dungeon Master, Legend of Fairgail, etc.) gewohnt war, Karten mitzuzeichnen, da es kaum Spiele mit Automapping gab. Das hat mir den Spitznamen ‚Mr. Navigator’ eingebracht, da ich anhand dieser Aufzeichnungen blitzschnell mit den Cursortasten durch die Dungeons hetzen konnte. Bei Silvanas Befreiung gab es nun aber keinen Bildschirm, sondern nur vorgetragenen Text. Trotzdem habe ich anhand der spärlichen Information (‚Raum ist 4 x 4 Schritt mit Tür im Norden’) versucht, eine Karte zu zeichnen, inklusive Mobiliar, Vorhänge, etc. Leider gibt es diese Zeichnung nicht mehr, aber der originale Plan des Schicksals aus dem Jahr 1984 liegt hier immer noch als Beweis, dass meine Zeichnung damals gar nicht so inkorrekt war.
Seitdem war und ist diese Art der Draufsicht bei Gebäuden und Dungeons für mich der Standard für meine eigenen Pläne, die ich immer mehr dahingehend verfeinert habe. Insofern war dieser Plan des Schicksals auch in mehrerer Hinsicht mein Schicksal.“
„Der Stadtplan von Lowangen aus der Box Das Orkland wurde für mich zum Stadtplan schlechthin. Stadtkarten kannte ich bisher nur aus der Havena-Box. In diesem Fall war die Stadt Lowangen von Ralf Hlawatsch aber farbig und reliefartig gestaltet und hatte mit der Umgebung drumherum auch wieder einen wunderbaren Maßstab, sprich: anhand der Baumkronen konnte man die Größe der Gebäude erahnen. Ich habe Lowangen seitdem immer als Blanko-Stadt für alle Stadtabenteuer genutzt.
Die Gebäude-Darstellung mit den verschiedenen Dach-Arten, den Hinterhöfen und Parkanlagen ließen sofort bei Abenteuerideen entstehen. Die Größe war genau richtig, nicht zu riesig, aber auch keine Kleinstadt.
Als ich 1994 mal versucht habe, mich bei Schmidt-Spiele als Illustrator zu bewerben (so richtig ohne Termin und mit Sammelmappe unterm Arm aus dem hohen Norden der Republik anreisend) bin ich durch die Münchner Umgegend gefahren und habe viele Orte mit der Bezeichnung -wangen am Ende entdeckt. Da habe ich mir einen echten Atlas genommen und geschaut, ob es im Schmidt-Spiele-Land noch mehr aventurische Orte gibt ... bis ich schließlich in Prem gelandet bin!“
„Und zum Schluss will ich noch keine einzelne Karte herausgreifen – sondern einfach alles von Steffen Brand! Die Dinger sind kranker Scheiß im positivsten Sinne. Unfassbar, was er da an Arbeit reinsteckt und damit das Gefühl einer In-Game-Karte erzeugt. Völlig anders und das komplette Gegenteil von meinen Karten. Ein absoluter Gewinn für die Spielerschaft.“
Über den Autor
Anton Weste ist Rollenspiel-Autor, Game Designer und Journalist. Er schreibt seit 25 Jahren für Das Schwarze Auge und war zehn Jahre Mitglied der DSA-Redaktion. Aus seiner Feder stammen unter anderem die Spielhilfen Havena – Versunkene Geheimnisse und Gareth – Kaiserstadt des Mittelreichs, das Computerspiel Drakensang sowie die Abenteuer Blutige See, Schlacht in den Wolken und Namenlose Nacht.
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